Gedanken und Meinungen zur Kirche
Die Kirche Christi sei... (Gedanken von Kardinal König)
Die Kirche Christi sei:
Eine einladende Kirche.
Eine Kirche der offenen Türen.
Eine wärmende, mütterliche Kirche.
Eine Kirche des Verstehens und Mitfühlens,
des Mitdenkens, des Mitfreuens und Mitleidens.
Eine Kirche, die mit den Menschen lacht
und mit den Menschen weint.
Eine Kirche, der nichts fremd ist
und die nicht fremd tut.
Eine menschliche Kirche,
eine Kirche für uns.
Eine Kirche, die wie eine Mutter auf ihre Kinder warten kann.
Eine Kirche, die ihre Kinder sucht und ihnen nachgeht.
Eine Kirche, die die Menschen dort aufsucht, wo sie sind:
bei der Arbeit und beim Vergnügen,
beim Fabriktor und auf dem Fußballplatz,
in den vier Wänden des Hauses.
Eine Kirche der festlichen Tage
und eine Kirche des täglichen Kleinkrams.
Eine Kirche, die nicht verhandelt und feilscht,
die nicht Bedingungen stellt oder Vorleistungen verlangt.
Eine Kirche, die nicht politisiert.
Eine Kirche, die nicht moralisiert.
Eine Kirche, die nicht Wohlverhaltenszeugnisse verlangt oder ausstellt.
Eine Kirche der Kleinen,
der Armen und Erfolglosen,
der Mühseligen und Beladenen,
der Scheiternden und Gescheiterten
im Leben, im Beruf, in der Ehe.
Eine Kirche derer, die im Schatten stehen,
der Weinenden, der Trauernden.
Eine Kirche der Würdigen,
aber auch der Unwürdigen,
der Heiligen, aber auch der Sünder.
Eine Kirche – nicht der frommen Sprüche,
sondern der stillen, helfenden Tat.
Eine Kirche des Volkes.
Franz Kardinal König (1905 – 2004)
in seinem Schlusswort zum Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965
Hat Jesus seine Gemeinde so gewollt?
Stadtgespräch im Haus der Kirchen:
Kirche in Hochdahl: Hat Jesus seine Gemeinde so gewollt?
Wir stecken alle mittendrin. In manchmal quälenden Fragen des Glaubens, in Diskussionen um die Zukunft der Kirche, in der Suche nach Prioritäten angesichts schwindender Möglichkeiten, im Organisieren und Regeln – und schließlich in der Frage, ob Jesus Christus belustigt oder knurrig, traurig oder anerkennend zuschaut.
Zuschaut? Wem ist bei alledem noch bewußt, daß Jesus “mitten unter uns” ist ‑ und das nicht als tröstendes gedankliches Konstrukt, sondern in einer erlebbaren österlichen Realität?
Analyse
Mittendrin zu stecken in den Problemen und den Glauben an den Sinn des Bemühens schwinden zu sehen und bei sich selbst schwinden zu fühlen, das ist nicht gerade eine gute Voraussetzung für eine nüchterne und ausgewogene Analyse ‑ und die war mit dem Thema der Veranstaltung am 15. April zunächst einmal gefragt. Und so kam es, wie es kommen mußte: eine Fülle von unterschiedlichen Bekenntnissen, die es schwer machen, in dem Durcheinander eine Gemeinde Christi zu erkennen. Es klang wie das Stimmen der Instrumente vor dem Konzert. Immerhin: Man war als Gemeinde zusammengekommen.
Dabei fing alles vielversprechend an, weil die Podiumsteilnehmer ihre Modelle von Gemeinde vorstellten und mit eigener Kritik Richtungsanstöße gaben. Karl Eichinger, Lehrer am Gymnasium, plädierte, bei grundsätzlich positiver Wertung des Gemeindelebens in Hochdahl, für eine politische Gemeinde, die offensiv ihre Stellung zu gesellschaftlich‑sozialen Fragen bezieht. ‑ Volker Horlitz, evangelischer Pfarrer, und Iris Walter, Lehrerin, vertraten übereinstimmend das Modell einer offenen christlichen Gemeinde, die für alle Interessierten die Möglichkeit bietet, Platz zu finden und sich wohl zu fühlen, und die darauf angelegt ist, daß jeder das Maß seines Engagements und die Nähe und Distanz zur Gemeinde selbst bestimmt. Zu diesem Modell gehört für sie eine große Vielfalt des Angebots ‑ zweifelnd war allerdings die Frage, ob die Gemeinde sich damit nicht schnell überfordert. Mir fehlte etwas eine Aussage dazu, wie Vielfalt und Konzentration auf das Eigentliche der Gemeinde, wie Aktivitäten und Besinnung austariert werden sollten. ‑ Bernd Staßen, katholischer Pfarrer, beschränkte sich erklärtermaßen auf Kritik, die dann allerdings sehr provozierend ausfiel: Die Gemeinde in Hochdahl verweigert die Erinnerung an Jesus ‑ was an manchen Beispielen (uninteressiertes Verhalten im Gottesdienst, mangelhafte Teilnahme an Gesprächsangeboten, fehlendes Interesse über Gemeinde nachzudenken) erläutert wurde, und: Unser Gott ist die Gesellschaft, nach deren Maßstäben wir uns selbst definieren (Geld, Beruf, Haus, Familie, Urlaub, Freunde). Das ging unter die Haut.
Austausch
Was danach laut Einladung ein “Streitgespräch” unter den Podiumsteilnehmern werden sollte und als solches sehr interessant hätte werden können, geriet zu einem allgemeinen, etwas ungeordneten Austausch von Meinungen im Publikum. Diese darzustellen und zusammenzufassen, fällt schwer. Man hätte vielleicht, wenn man die im Grundsatz erfreuliche Beteiligung des Publikums als vorrangig wichtig ansah, die Diskussion etwas mehr strukturieren und mehr als geschehen die Konzentration auf das Thema fordern sollen. Und dieses war nun wirklich nicht darauf angelegt, ausführlich und konsequenzlos über die Botschaft Jesu, über die Schwierigkeiten, sie in unserer Welt zu verkünden, und über viele der sonstigen bekannten Probleme der Kirche zu reden.
Wofür ist Gemeinde da? ‑ Daß Glaube (Erinnerung), Hoffnung und Liebe in ihr leben. Daß die
Verbindung zwischen Gott und der Welt nicht abreißt. Daß das Miteinander in der Gemeinde und die Freude am Gottesdienst nach außen ausstrahlen…
Das hätte Ausgangspunkt für ein Idealbild von Gemeinde sein müssen. Dann wäre von selbst die Frage gekommen, ob die Größe der Gemeinden, der Umfang an Organisation, das Maß der Verbindung zur Gesamtkirche oder die konkrete Austarierung von Freiheit und Gehorsam und die vielen anderen Erscheinungsformen diesen Idealen dienen oder ihnen entgegenstehen. In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage nach politisch‑sozialer Aktion. Aber all das kam zu kurz. Vielleicht ist dafür ein öffentliches Forum auch nur bedingt geeignet.
Zuhören
Wahrscheinlich beginnt im übrigen jedes fruchtbare Gespräch zunächst einmal damit, daß man dem anderen zuhört, ihn ernst nimmt und auf ihn eingeht. Nicht diskussionsfähige Bekenntnisse nützen da kaum. Und gut wäre es, wenn man erzählen könnte, wie man zu seiner Meinung gekommen ist. Damit ergibt sich auch eine Brücke zu dem Thema, wie Jesus seine Gemeinde gewollt haben könnte. Und umgekehrt erklären sich manche Erscheinungen, die Bernd Staßen allzu pointiert als Verweigerung der Erinnerung an Jesus bezeichnet hat: Eine gewisse Unlust, sich in wenig fruchtbare Diskussionen hineinzubegeben. Mir jedenfalls geht es so.
Mein persönliches Fazit: Ich habe kaum etwas dazugelernt, ob Jesus seine Gemeinde so gewollt hat, wie sie ist. Und ich finde, daß wir bei allem Nachdenken darüber vor allem darauf vertrauen sollten, daß wir uns nicht allein am Schopf aus dem Sumpf ziehen müssen.
H. Lucas
Wohin geht die Kirche? (PGR 1997)
Gedanken des Pfarrgemeinderats
Wohin geht die Kirche?
Rückgang der Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher ‑ Kirchenaustritte ‑ Gleichgültigkeit oder gar Feindseligkeit der Jugend gegenüber der Kirche ‑Resignation und Lähmung unter den Christen ‑ Verlust an Glaubenskraft, Verlust der Hoffnung ‑ Also: Erosion des Christlichen allenthalben? Auch bei uns?
Ja, auch bei uns in Hochdahl. Darüber können auch einige Lichtblicke nicht hinwegtäuschen.
Der innere und äußere Zustand unserer Gemeinde ist ständiges Thema des Pfarrgemeinderates (PGR). Es bestimmte auch die Diskussion in der Pfarrversammlung am 1. Mai 1996.
Über den Zaun schauen und sehen, was sich daraus für uns hier in Hochdahl ergeben könnte, das war Gegenstand der Überlegungen des PGR auf seinem Herbstwochenende in Rinsecke. Dabei diente das (lesenswerte) Buch von Prof. Dr. Medard Kehl SJ “Wohin geht die Kirche?” als “Geländer”.
Der Zeitanalyse dieses Buches kann man sich anschließen:
Mit dem kulturellen Umbruch der 60er Jahre hat sich der geistesgeschichtliche Prozeß der Aufklärung in der alltäglichen Lebenswelt der Menschen durchgesetzt. Das herausragende Ergebnis ist die radikale Autonomie des “individuellen Selbst”. Der Kant’sche sog. “kategorische Imperativ”, der eine universal gültige Vernunft voraussetzte, wird abgelöst durch die Gültigkeit des jeweils eigenen Standpunkts. Daß eine Kirche, die den einen Glauben an Gott und Jesus Christus weitertragen muß, dabei Probleme bekommt, leuchtet ein.
Unmittelbare Folge dieser Entwicklung ist die Forderung nach radikaler Pluralität, gepaart mit unbedingter Offenheit und Toleranz (die überhaupt erst ein Zusammenleben ermöglicht). Beliebigkeit, Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit sind häufig die praktischen Folgen. Ist eine so geprägte Gesellschaft überhaupt noch in größere Gemeinschaften integrierbar, wenn diese den Anspruch auf Wahrheit erheben?
“Erlebe dein Leben!” ist eine Lebenseinstellung geworden, die nicht nur Freizeit und Erholung, sondern alle Lebensvollzüge erfaßt, ja den Sinn des Daseins ausmachen kann. Die Medien tragen uns diese Erlebnisgesellschaft ins Haus, unsere Mobilität tut ein übriges. Wir brauchen nur noch auszusuchen, d. h. den stärkeren Reizen zu folgen. Dabei kann man Stil und Lebensphilosophie entwickeln, je nach der kulturell‑sozialen persönlichen Orientierung. Kann die Kirche sich darauf einstellen, ohne daß sie selbst (für wenige) ein Teil dieser Erlebnisgesellschaft wird, der für die inneren angenehmen Empfindungen zuständig ist?
Schließlich kann nicht ohne Folgen bleiben, daß in unserer offenen Gesellschaft die konfessionellen Milieus, insbesondere das prägende katholische Milieu, weithin geschwunden sind und allenfalls noch als kulturell‑ästhetisches Reservoir benutzt werden. Vielfach als Befreiung erlebt, bewirkt diese Entwicklung gleichzeitig den Verlust von Heimat im Glauben.
Die Kirche kann sich das ideale gesellschaftliche Umfeld nicht schaffen. Sie kann auch nicht darauf warten, daß sich die Verhältnisse irgendwann einmal “zum Besseren” wenden. Es heißt vielmehr zu suchen, wie man dem christlichen Auftrag in diesem Umfeld gerecht werden kann.
Es würde zu weit führen, alle die Handreichungen, die Medard Kehl angeboten hat, hier zu erörtern. Der PGR hat sich ebenfalls auf einige wenige Bereiche beschränkt, die für die Gemeinde vor Ort wichtig und aktuell sind und dort angepackt werden müssen.
Das erste ist das Verhältnis der Gemeinde zu den, wie Medard Kehl sie nennt, “treuen Kirchenfernen”. Das sind diejenigen, die an der Gottesdienstgemeinschaft oder sonstigen Lebensvollzügen der Gemeinde nicht (mehr) teilnehmen, für die die Kirche aber noch wichtig ist (und sei es nur für Taufe, Erstkommunion, Eheschließung und Beerdigung). Die Aufgabe aller Christen ist ein ehrliches Ja der Akzeptanz. Nicht in dem Sinne, daß wir so die Asymmetrie zwischen aktiven und inaktiven Mitgliedern “wegzaubern”, sondern daß wir mit Verständnis und Geduld die Tür zur Kirche offenhalten und uns um eine einladende Gemeinde bemühen. Das schließt Selbstkritik ein. Haben wir wirklich ganze Bevölkerungsteile aus der Kirche vertrieben, weil sie unseren intellektuell anspruchsvollen Glauben nicht mehr verstanden oder in ihm keine Lebenshilfe mehr sahen? Was tun wir für unsere Mitchristen aus Polen oder dem Osten Europas, die ihre heimatlichen Glaubenserfahrungen hier nicht mehr wiederfinden? Sind unsere Reaktionen stets angemessen, wenn wir auf offen formulierten Widerspruch treffen, wie oft bei unseren Kindern und Jugendlichen?
Das ehrliche Ja muß auch die umfassen, die einzelne Glaubensinhalte nicht mitvollziehen können und sich durch den Anspruch der Dogmen erschlagen fühlen. Wenn es richtig ist, daß Kirche auf dem Weg ist und jeder einzelne Christ einen Glaubensweg geht, dann sind Umwege und Abweichungen oft ein Teil der Wegsuche.
Ein Blick auf die eigene Glaubensgeschichte und die eigene Befindlichkeit kann da hilfreich sein. Wenn ich heute nicht zu den “treuen Kirchenfernen” oder gar zu den Ausgetretenen gehöre, woran liegt das? Und: Ist die Frage nach der Kraft meines Glaubens (wo wir uns alle an die Nase fassen müssen) nicht genauso kritisch wie die Frage nach den Glaubensinhalten? Wichtig ist vor allem eine gute Portion Bescheidenheit ‑ und die Grundeinstellung, den anderen Menschen in seiner Andersartigkeit gelten zu lassen.
Ausgangspunkt für den zweiten Komplex war für den PGR die Feststellung Medard Kehls, daß die Kommunikation in der Kirche gestört ist. Zeichen war für ihn das sog. Kirchenvolksbegehren. Auch in unserer Gemeinde läßt sich ein erhebliches Kommunikationsdefizit feststellen, z.B. zwischen Eingesessenen und Aussiedlern, vor allem aber zwischen den Generationen. Eine Reihe von Lichtblicken wie z. B. die Firmvorbereitung oder die Rinsecke‑Wochenenden für die “Nachfirmlinge” kann nicht verdecken, daß im wesentlichen Sprachlosigkeit herrscht. Ablehnung, Angst und Scheu machen die Gespräche über Fragen des Glaubens zwischen Eltern und Kindern und zwischen Älteren und Jüngeren so unendlich schwierig. Diese Gespräche sind aber unerläßlich, wenn der Glaube in der Kirche lebendig bleiben soll. Das Wichtigste dabei ist, daß man selbst vom Ernst dieser Fragen überzeugt ist und dies vermitteln kann.
Der PGR kam in diesem Zusammenhang schwerpunktmäßig auf die Gottesdienstgestaltung zu sprechen, offenbar ein Konfliktthema zwischen Jugendlichen und Älteren. Von Seiten der Jüngeren wurde die fehlende Kommunikation, die gelangweilten Gesichter sowie unverständliche Texte und Lieder bemängelt. Natürlich gab es hierzu Widerspruch. Gerade über dieses Thema wären intensive Gespräche notwendig.
Ein dritter Block war schließlich ein Gespräch über die Frage unseres Verhaltens in der gegenwärtigen Situation. Frustration und Aktionismus können uns nicht helfen. Das folgende Zitat (U. Ruh) macht uns auf andere Weise Mut:
“Die Einsicht, daß Christen zuallererst das ihnen im Glauben Gebotene möglichst selbstverständlich und absichtslos tun sollen, ohne dabei ständig nach rechts und links zu schauen und auf Beifall zu warten, kann und sollte auch befreiend und entlastend wirken. Sie ist ein Mittel sowohl gegen vorschnelle Resignation angesichts fehlender sichtbarer Erfolgserlebnisse wie gegen ein Übermaß an Betriebsamkeit.”
Und: Je mehr wir hinter der Kirche das Reich Gottes sehen, um so mehr werden wir innerkirchliche Zu‑ und Mißstände relativieren können. Wir brauchen darüber hinaus die Kraft der Geduld. Sie ist nicht das Alibi für unterlassenes Handeln, sondern das Warten in Hoffnung.
Ein Aktionsprogramm ist in Rinsecke nicht herausgekommen. Aber viel Stoff zum Nachdenken ‑ und viele Anregungen für alle, die eigene Position und das eigene Verhalten zu überprüfen. Daß dies geschieht, wäre die Bitte des PGR.
H. Lucas
(PGR, 1997)
Arme Kirche - reiche Kirche
“Eine Kirche ist reich, wenn in ihr eine Atmosphäre von Liebe und Freude besteht; wenn in ihr keine Angst, keine Denunziation und keine Intrige herrschen; wenn alle die Freiheit genießen zu reden ohne Unterdrückung, zu kritisieren ohne Bestrafung, anzuregen ohne Einschränkung.” ‑ “Arm ist eine Kirche, auch wenn sie an Infrastrukturen, an ausgebildetem und spezialisiertem Personal reich ist, wenn der Hirt die Gemeinde auf autoritäre Weise leitet; wenn die Angst um die exakte Bewahrung liturgischer und dogmatischer Formeln vorherrscht; … wenn Kreativität unter Verdacht steht, wenn die Freiheit dauerhaft eingeschränkt wird.”
Leonardo Boff
Das Amt in der Kirche
m 2. Korintherbrief des Apostels Paulus heißt es (4,5): „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu Willen”.
Diesen Satz kann man doch wohl als Maßstab nehmen für das Verhalten von Amtsträgern in der Kirche (Pfarrer, Bischöfe, Papst) und natürlich auch für deren Hilfskräfte.
B. Staßen
Priestermangel
Es ist nur eine Frage der Zeit, irgendwann werden wir in Hochdahl ohne Priester auskommen müssen.
ABER WIR ZAHLEN DOCH KIRCHENSTEUER!
Wir bringen immer noch eine Menge Geld auf, nicht zuletzt dafür, dass unsere Glaubens‑ und seelsorgerischen Bedürfnisse von Fachleuten mitgetragen werden ‑hauptberuflich. Von jemandem der dafür ausgebildet ist, und sich nicht wie wir täglich um’s Brotverdienen kümmern und sich nicht von diesen wichtigen Aufgaben ablenken lassen muß. Wir bezahlen dafür, dass jemand gut ausgebildet ist und in der Sukzession (Nachfolge) steht. Von dem wir also sicher sein können, dass er Vollmacht mitbringt für alle Sakramente, derer wir bedürfen. Und unseren Bischof und seine gesamte Organisation bezahlen wir auch dafür, dass sie solche Männer finden, begeistern, ausbilden und für uns bereitstellen.
Die Zahlen machen Angst. Es gibt kaum Priesternachwuchs. Es gibt keinen, der unser heutiges System in Zukunft noch gewährleisten kann. Wir wollen hier nicht lamentieren und es ist müßig hier über Rezepte zu diskutieren. Vermutlich sind ohnehin alle falsch. Beten und abwarten hilft sicher nichts, beten und arbeiten (aktiv werden) schon eher. Wir müssen also aktiv werden.
WENN MEHR ALS ZWEI ODER DREI VERSAMMELT SIND …
…. aber kein Priester ist unter uns, was dann? Der Sonntag wird kommen, an dem wir uns treffen, um Gottesdienst zu feiern. Wir warten und warten darauf, dass es endlich losgeht, aber kein Priester erscheint, um mit und für uns Eucharistie zu feiern. Schließlich sind Gesundheit und Schaffenskraft Geschenke unseres Herrgotts. Und seine Wege sind bekanntlich unergründlich.
Was machen wir dann? Gehen wir einfach enttäuscht auseinander? Und bleiben beim nächsten Mal gleich ganz weg? Oder gibt es ein paar Beherzte, die die Initiative übernehmen und einen Wortgottesdienst gestalten? Haben wir das geübt? Hoffentlich sind genügend von ihnen auch um diese Zeit in der Kirche. Es muß also viele Beherzte geben.
Ein solcher Tag wird kommen, vermutlich viel eher als wir befürchten. Und immer weitere, in immer kürzeren Abständen. Nicht nur die Gottesdienste sind betroffen, auch alle anderen Dienste, die wir so nötig brauchen.
HELFEN UNS PRIESTER, DIE UNSERE GEMEINDEKULTUR NICHT VERSTEHEN?
Unser Bischof wird uns Priester aus anderen Kulturkreisen schicken, Unglückliche, die uns nicht und die wir nicht verstehen. Nicht Sprache ist gemeint. Viel wichtiger ist so etwas wie unsere Gemeindekultur (deshalb ist auch Pater Josef hier ausdrücklich nicht gemeint).
DANN GEHT ES UM DIE SUBSTANZ UNSERER GEMEINDE.
Wird unsere Gemeinde dann in mehrere Gruppen auseinanderfallen? Die einen, denen der Hochdahler Stil ohnehin nicht gefällt, werden froh sein, dass alles wieder so ist, wie sie es von früher kannten. Andere werden sich eine Gemeinde suchen, deren Kultur ähnlich der unseren ist und Gottesdiensttourismus betreiben. Wieder andere werden einfach gar nicht mehr zur Kirche gehen, weil ihnen die ganze Richtung nicht mehr gefällt. In jedem Falle wird die Jugend
‑ eine Chance für Hochdahl?
wegbleiben, denn für junge Leute gibt’s dann überhaupt nichts Entsprechendes mehr. Selbst wenn dann noch Gottesdienste stattfinden, in jedem Falle ist das zu Ende, was Gemeinde wirklich ausmacht.
Muß es erst zum Crash kommen, bevor wir aktiv werden? Oft werden erst im totalen Chaos, erst durch einen wirklichen Zusammenbruch Energien zum Neuanfang, zum Aufbruch frei. Aber vielleicht werden es dann nicht die katholischen Gemeinden sein, die überleben, sondern die anderen christlichen Gemeinden. Es werden die überleben, bei denen es heute schon Tradition ist, dass sich Gemeindeleitung aus Gemeinde heraus entwickelt. Solche, die unser heutiges Problem schon seit über hundert Jahren gelöst haben. Aber auch die nicht ganz so christlichen Gruppierungen werden Oberwasser bekommen, werden das immer vorhandene Bedürfnis populistisch stillen.
ABER IN HOCHDAHL IST JA ALLES ANDERS!
Wir hatten unsere Gemeindeversammlung am 8.10.2002 (zu der sogar über 100 !!! aktive Gemeindemitglieder erschienen sind). Wir haben die Vergangenheit beschworen und den Geist vom Aufbruch in der “Neuen Stadt` nach dem Zweiten Vaticanum.
Wir haben begriffen, dass man die Krise auch als Chance begreifen könnte.
Aber man konnte auch den Eindruck gewinnen, dass wir uns mit der Vergangenheit getröstet haben. Damit, dass wir mal
sehr dynamisch, fast revolutionär waren. Wie in der Fabel von den Gänsen, die sich aufschwingen wollen, weil sie ja eigentlich Vögel sind und weil sie Flügel haben zu fliegen. Aber dann doch am Boden bleiben, weil das viel weniger anstrengend ist .
DER HOCHDAHLER SAUERTEIG KANN SICH NICHT SELBST ANSTECKEN.
Eines ist allerdings sicher, auch das konnte man bei der Pfarrversammlung feststellen: Es gibt ihn noch, den Hochdahler Sauerteig. Verkrustet zwar, verkapselt und außen schon ein wenig eingetrocknet, innen aber noch voll funktionsfähig. Ist dieser Sauerteig auch noch ansteckend? Für die Jungen, die Älteren, die Zugezogenen, die Rücksiedler und vor allem die, die bisher nur noch nicht eingeladen wurden?
AUFBRECHEN MIT DEM MUT DER VERGANGENHEIT
Laß es uns tun, mit den Erfahrungen derer die wissen wie’s geht. Laßt uns alles, was vorhanden ist, bewerten. Gutes bewahren, Verwaschenes auffrischen, Verschüttetes ausgraben, Angepaßtes aufrauhen, Überflüssiges vergessen, Totes verwerfen. Laßt uns nachsehen, wie es andere machen. Wir müssen lernen von anderen katholischen Gemeinden, von unseren protestantischen Partnergemeinden, aber auch von den anderen christlichen Kirchen. Unsere Gemeinde ist schließlich keine Insel. Laßt uns Lösungswege der anderen betrachten und prüfen, übernehmen, verändern, fortentwickeln und an unsere Hochdahler Gemeindekultur anpassen,
WIR SIND DER SAUERTEIG UND DIE KRISE IST IN WAHRHEIT EINE CHANCE.
Diese Chance darf nicht ungenutzt bleiben! Aber wir müssen schon allein losfliegen, das macht keiner für uns. Wir können darauf vertrauen, dass der Heilige Geist unser Fluglotse ist.
Aber wir müssen bald aufbrechen, solange wir noch aktive Seelsorger haben, die unseren Weg begleiten können, die sich um unsere Seelen sorgen, wenn wir unterwegs sind.
Jochen Krieger
(aus den Aspekten 6/2003)
Nachdenkliches zu Kirche
Für Sie notiert
Nur einem Drittel der Katholiken sei die Glaubensgemeinschaft noch wichtig. ‑ Was er denn als Bischof tun könne, außer solchen Entwicklungen frustriert zuzusehen, wurde Bischof Franz Kamphaus von Limburg gefragt. Darauf der Bischof (in der Hildesheimer Kirchenzeitung): “Tun wir doch nicht so, als sei früher alles besser gewesen! Gab es jemals eine Zeit, in der mehr Frauen und Männer als Katechetinnen und Katecheten Verantwortung für die Glaubensweitergabe übernommen hätten? Es gibt lebendige Gemeinden, vielfältige Gottesdienstformen und eine Vielzahl erfreulicher Initiativen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Was ich an der Basis unserer Kirche, in den Gemeinden und Gruppen erlebe, ermutigt mich und läßt mich hoffen. Das unterscheidet sich erheblich von dem, was uns als Kirche in manchen Medien entgegentritt. Ich verschließe nicht die Augen davor, daß in der Kirche manches im Argen liegt und geändert werden muß. Aber ich lasse mir nicht die Glaubenslust durch Kirchenfrust verderben. Wer sich selbst nicht riechen kann, stinkt auch anderen.”
KIRCHE
viele ärgern sich zu Recht über diese “Institution” (was ist das eigentlich für ein schreckliches Wort für das, was da eigentlich gemeint ist!). Aber: Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie die biblische Botschaft, wie der Glaube der Christen, wie das Vertrauen auf einen guten Gott zu Ihnen gekommen wäre ohne diese “Kirche”? Das Pfingsttreffen mit Christen aus Cergy und Kolonowskie ‑ wäre das denkbar ohne “Kirche”? Die guten Gespräche an Pfingsten so einfach “zwischendurch” oder auch in der Diskussion in der Willbecker Schule um den “Glauben” ‑ ohne “Kirche”? Sie können ja einmal den Versuch machen: denken Sie sich doch einmal “die Kirche” für einen Augenblick weg aus Ihrem bisherigen und Ihrem augenblicklichen Leben ‑wären Sie “ärmer” oder würde sich da gar nichts verändern in dem was Sie glauben und hoffen und lieben? ‑ Ich fands gut, daß dieses Mal auch “die Jugendlichen” in die Diskussion um den “Glauben” an Pfingsttreffen Cergy‑Hochdahl‑Kolonowskie einbezogen waren und sich auch “einmischten” …. Wie schreibt doch Bischof Kamphaus?! “Ich verschließe nicht die Augen davor, daß in der Kirche manches im Argen liegt und geändert werden muß. Aber ich lasse mir die Glaubenslust nicht durch Kirchenfrust verderben. ”
Gerd Verhoeven ‑
Inkonsequent
Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist
in der Kirche.
Sie werden antworten:
Die Messe.
Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist
in der Messe.
Sie werden antworten:
Die Wandlung.
Sag hundert Katholiken, daß das wichtigste in
der Kirche die Wandlung ist.
Sie werden empört sein:
Nein, alles soll so bleiben, wie es ist.
Lothar Zenetti
Diskussion in der Kirche
Wir beten für Staatsmänner,
für den Frieden,
für unsere Kirche,
für Wahrheit und Liebe.
Warum beten wir nicht
um die Lösung
von Streitfragen in der Kirche?
Jeder kennt sie.
Wenn wir Katholiken
glaubwürdig sein wollen,
dann dürfen wir die Diskussion
nicht andern überlassen.
Herr, ich bitte dich
für unseren Papst,
dessen Worte und Weisungen
ich respektiere und bedenke.
Aber meine Achtung, mein Gehorsam
kann mich nicht dazu bewegen,
jedes der Worte
für unfehlbar zu halten.
Ich wünsche mir Frauen am Altar,
Demokratie in der Kirche,
Mitsprache der Laien
bei der Einsetzung eines Bischofs.
Herr, du hast uns
Glaubenswahrheiten geoffenbart,
Gebote gegeben,
die wir nicht ändern dürfen.
Aber schon in der Frühzeit der Kirche
gab es Auseinandersetzungen
über Auslegungen
und ein zeitgemäßes Verständnis.
Lehre uns, Herr,
in deinem Geist
darüber zu diskutieren
in der Liebe und Wahrheit.
P. Roh
In den Wüsten des Lebens
Wasser und Brot nicht verachten
den Worten des Engels trauen
noch einmal
aufbrechen
losgehen
das Leben suchen
um zu finden
was ich suchte
A.Schwarz
Perspektiven für Kirche
AM 2. PFINGSTTAG 1963 STARB JOHANNES XXIII.
An 11. Oktober 1962 eröffnete er das Konzil. Da hatte er noch ein halbes Jahr zu leben. Bei seiner Eröffnungsrede wendet er sich leidenschaftlich gegen die, die aus religiösem Eifer die moderne Welt verachten: “Sie meinen nämlich in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen, Sie reden unablässig davon, daß unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit zum Schlechteren abgeglitten sei. Sie verhalten sich, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt. Ich bin völlig anderer Ansicht als diese Unglückspropheten, die ständig Katastrophen ankündigen, als ob die Welt vor ihrem Ende stünde. ”
Am 2. Pfingsttag ’63 ist er an seinem Krebsleiden gestorben. In der ganzen Welt nahmen die Menschen daran Anteil. Und er gab das letzte Zeugnis eines erfüllten Lebens: gut sterben zu können. ‑ Das Konzil ging weiter. 1964 schlug der Weihbischof von Bologna vor, die Konzilsbischöfe mögen Johannes XXIII. durch das Konzil heiligsprechen ‑ als Anerkennung der von ihm eröffneten Perspektive der Kirche. Das wäre schön gewesen! Aber ‑ vielleicht gibt es Heilige, die keine Heiligsprechung brauchen. Wenn wir etwas brauchen zur Bewältigung heutiger Probleme, dann ist das sein Geist, in dem das Menschliche und das Christliche, gesunder Menschenverstand und eine Frömmigkeit ohne Angst auf seltene Weise im Einklang waren. Ich bin einfach dankbar, daß es diesen Papst gegeben hat.
Albert Höntges