Der Wolf von Gubbio – von Franz gezähmt

Franziskus kommt in die kleine Stadt Gubbio und stößt dort auf Menschen, die mit ihrem Lebensmotto nicht hinter dem Berg halten. Vielmehr scheinen sie ohne Zweifel -sine dubio- alle danach zu leben. Sie summen mit den Bienen, brummen mit den Bären und heulen mit den Wölfen – ja, sie sind davon überzeugt, daß man das muß. Wenn uns diese Tätigkeiten noch etwas fern sind, so ist uns „mit der mode mußt du gehen” und „nach der pfeife mußt du tanzen” schon viel bekannter. Man muß man muß man muß!
Völlig überzeugt soll der Chor diese Art zu leben vertreten. Und es stellt sich die Frage, inwiefern das alles mit unserem Leben übereinstimmt. Schwimmen wir nicht schon automatisch mit dem Strom? Nur wer nach der Pfeife tanzt, um die Wette läuft und sich unentwegt nach der Decke streckt, erreicht etwas; ob in der Schule oder im Beruf. Und am härtesten: „wessen brot ich eß dessen lied ich sing”. Heißt das, wer mich ernährt bleibt von jeglicher Kritik verschont? Er stopft mir das Maul! Denn: Der Wolf regiert. Die Menschen werden zu Opfern ihrer Lebensweise, denn sie wissen nicht was sie tun. Sie wissen nicht warum und sie fragen nicht. Warum parieren sie, warum schwimmen sie mit dem Strom? Wer nicht mehr durchhält im ewigen Kampf jeder gegen jeden, um Macht und Geld, wird vom Wolf zerrissen – Selbstvernichtung, Persönlichkeitsverlust, Depression – unbrauchbar. Das will man dann ja auch nicht, also macht man weiter, singt das alte Lied und denkt, man hätte den Wolf besiegt. Aber der Wolf „ist mitten unter uns er ist in uns”. „Traue niemandem.” – diese Parole verspricht Erfolg. Keiner darf an keinen heran. Der Mensch ist verschlossen. Er ist einsam, er ist im Dunkel, wie Franz singt. Franz singt, die Stadt Gubbio, der Wolf spricht im militärischen Rhythmus – immer alle gleich.
Franz offenbart ohne Angst seine Schwäche im Vergleich zum Wolf: Einer für alle. Er fordert den Wolf auf: „sei friedlich, gib pfötchen”. Er spricht mit dem Wolf und bringt Kommunikation, Menschlichkeit und Bewegung in die abgestumpften Menschen der Stadt Gubbio. Sie verstehen zwar nicht genau, was Franz erklärt, wie der Wolf zum Lamm wurde: Er ist aus dem Strom ausgestiegen, hat über sich selbst gelacht und sich auf jemand anderen verlassen. Als Wolf und Lamm Hochzeit feierten, wurde er zum Mensch. Dies Möglichkeit offenbart er auch der Stadt Gubbio – uns allen. Aber das erste euphorisch gebrüllte „JA!!” ist noch zu wölfisch. Jeder braucht sein eigenes persönliches menschliches „ja”, um zum Lamm zu werden, und das ist weder für die Stadt Gubbio noch für uns ganz persönlich leicht. Ein friedliches freundliches „ja” in den Raum gesagt, jeder ganz allein, fällt nämlich doch erheblich schwerer als ein wölfisches Gebrüll. Denn – auch wenn wir vielleicht alle gern etwas Besseres wären: Er steckt in uns der Wolf von Gubbio. Dennoch sind wir gesandt, Lamm zu sein und wie einst die Zwölfe, unter die Wölfe zu gehen.

Maria Boscheinen

(-Diese Gedanken sind dem Hochdahler Textheft zum Musikspiel „Franz von Assisi” von Peter Janssens entnommen.-)

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