Was wir an St. Martin feiern: Daß ein Mensch den Unterschied zwischen hoch und tief nicht achtet, daß er nur sein Herz sprechen läßt und sein Mitleid, und daß er gibt, ohne gefordert zu sein.
Wir feiern dies, indem die Situation mit dem frierenden Bettler nachgestellt wird als Abbildung dessen, was damals geschah. Und indem die Kinder St. Martin dabei begleiten. Und das Ganze erhellen durch viele viele Lichter in möglichst selbstgebastelten Laternen. Wir dürfen auch das Gripschen noch dazu rechnen: Die Lieder, in denen das Geschehen noch einmal lebendig wird, mit denen eine Gabe erbeten und Segenswünsche ausgesprochen werden: “Selig soll er sterben, das Himmelreich erwerben!”
Gut zehn Tage vorher das Kontrastprogramm: Halloween. Es schellt und vier Halbwüchsige stehen vor der Tür. “Süß ‑ oder sauer!” Im Jahr zuvor hatte ich naiverweise noch gedacht, mit “sauer” seien saure Bonbons oder Äpfel als gültige Alternative gemeint. Weit gefehlt! “Süß ‑ oder sauer!” ist eine schlichte Drohung. Wenn du mir nichts gibst, dann…
‑ Spinnerei? Keineswegs. Eine halbe Stunde, nachdem ich den Besuchern erklärt hatte, daß ich mit Halloween nichts am Hut hätte und sie sollten zu St. Martin wiederkommen, klatschten zwei Eier an mein Fenster.
Fordern ‑ und abstrafen. Geliehene Formen (Gripschen) ohne Idee dahinter. Kein Lied, kein Licht. Einen größeren Gegensatz zu St. Martin kann man sich kaum denken. Beides nebeneinander ist unerträglich. Entscheiden und wehren Sie sich!
H. Lucas