Ich möchte Ihnen etwas über die bei uns wohnenden Flüchtlinge erzählen bzw. sie ein bisschen informieren, was hier vor Ort los ist.
Seit über 30 Jahren gibt es den Freundeskreis für Flüchtlinge. Im Mai vergangenen Jahres waren noch weniger als zehn Mitglieder hier in Hochdahl tätig, allen voran Frau Koch (über 80 Jahre alt) und Frau Piegeler (über 75 Jahre alt). Das hat sich in der Zwischenzeit sehr verändert. Nicht nur die Zahl der Flüchtlinge ist immens angestiegen, sondern auch die Zahl der Menschen, die helfen wollen. Es sind im Moment mehr als 150 Hilfswillige, von denen wir wissen. Das bringt auch den Freundeskreis etwas unter Druck, weil es nicht so leicht geht, das alles ehrenamtlich zu organisieren. Hoffentlich lassen sich keine Leute abschrecken, wenn sie nicht sofort eine „Einsatzstelle“ vermittelt bekommen bzw. ihre Angebote angenommen werden können.
Die Hilfsmöglichkeiten sind so vielfältig wie die Menschen. Das geht von Kleiderspenden bis zur Übernahme einer Familienpatenschaft, von Kinderbeschäftigung bis zur Sprachvermittlung, von Übersetzungstätigkeit bis zum Sportangebot, von Geldspenden bis zu Einkaufshilfen, von Praktikumsplatzbeschaffung bis zur Vermittlung von Wohnraum, von Umzugshilfe bis zu Rechtsberatung, von Hilfe in der Kleiderkammer bis zu Begleitung zur Ausländerbehörde in Dortmund.
Wir haben sieben “Flüchtlingsheime“, Notunterkünfte, in denen rund 360 Menschen leben. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Iran, Irak usw. Alle diese Menschen haben ihr Heimatland nicht freiwillig verlassen, sondern sind geflohen, weil sie um ihr Leben fürchten. Sie haben einen Weg in Ungewissheit und großer Gefahr auf sich genommen. Sie sind traumatisiert durch die Ereignisse in ihren Ländern bzw. durch Erlebnisse auf ihrer Flucht. Neben diesen Asylbewerbern in den Heimen leben bei uns noch etliche Flüchtlinge in Wohnungen. Das sind vor allem Menschen aus Syrien, die zur Zeit relativ schnell eine Aufenthaltsgenehmigung und Anerkennung erhalten. Und seit fünf Wochen sind wir auch Noterstaufnahmestelle. Das bedeutet, dass zu uns Menschen in Bussen von einer Grenze gebracht werden, die noch nicht registriert wurden. Die ersten 150 kamen im Bürgerhaus unter, wo sie Bett an Bett in der großen Halle und in den Veranstaltungsräumen leben. Ihnen stehen ein Bett, ein Stuhl und ein Spind zur Verfügung, den sie aber mit drei anderen teilen müssen. Als in unserer Gemeinde bekannt wurde, dass das Bürgerhaus „bezogen“ würde, gab es eine unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft. Innerhalb von drei Tagen war das ganze Gemeindezentrum Sandheide voll mit gespendeten Kleidungsstücken, Spielsachen, Bettwäsche usw. Sie wissen selbst, was Sie alles dahin gebracht haben. Wir waren sicher, mit diesen Sachen 600 Menschen versorgen zu können. Es gab anfangs riesige Probleme, ein Lager dafür zu finden, was uns jetzt aber mit Hilfe der Stadt Erkrath gelungen ist. Welch tolle Sachen Sie gespendet haben und was Menschen erwarten, zeigt die erstaunte Äußerung einer Frau: „Die sind ja so gut angezogen.“
Letzte Woche wurden die ersten 150 Flüchtlinge aus dem Bürgerhaus ausgetauscht, d.h. es kamen 150 neue. Und zwei Tage später kamen noch einmal 150 Menschen nach Erkrath in ie Albert-Schweitzer-Schule. Nun leben bei uns jetzt 360 Flüchtlinge in den Heimen, 300 in den Erstaufnahmestellen und schätzungsweise 200 in Wohnungen. Integration kann nur durch persönliche Beziehung erfolgen. Eine ganz einfache Methode, den ersten Kontakt aufzubauen, ist, jemanden zum Kaffee einzuladen. Auf diesem Weg werden sogar erste Worte in unserer Sprache vermittelt.
Eine kleine Begebenheit: Am Mittwoch habe ich eine Syrerin getroffen, die gerade am Morgen gegen 4 Uhr, also mitten in der Nacht, mit einem Bus direkt aus Österreich in der Albert-Schweitzer-Schule angekommen war. Sie bat mich um Hilfe bei der Suche nach einem Bett für ihren Sohn. Sie hat ihren 17jährigen Sohn seit 11 Monaten nicht mehr gesehen. Er ist damals alleine geflohen und lebt jetzt in Stuttgart. Als er hörte, dass seine Mutter hier in Erkrath ist, hat er sich in den nächsten Zug gesetzt und ist hierhergekommen. Er ist abends angekommen, und die Übernachtung konnte geregelt werden. Keiner von beiden wusste, ob er den anderen noch einmal wiedersehen würde. Von diesen Beispielen könnte ich Ihnen noch viele erzählen, aber es ist jetzt schon so viel.
Das wichtigste Kommunikationsmittel ist für diese Menschen das Handy. Sie kommen aus zivilisierten Ländern. Mit dem Handy können Sie Kontakt mit ihren Verwandten halten, soweit das überhaupt möglich ist. Solange sie erreichbar sind, heißt das, dass sie leben.
1945 wurden im total zerbombten Deutschland 12 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Obwohl niemand etwas hatte, war die Hilfsbereitschaft bei den meisten immens. Etliche Millionen Deutsche flohen ins Ausland und wurden dort aufgenommen. An diese Zahlen kommen wir lange noch nicht heran.
Wie viele Brote und Fische haben wir?
Monika Funk